, Michael De Luigi

Familiengerichte

Ist der Staat für die Bürger da oder umgekehrt?

Der Kanton muss die Organisation seiner Gerichte und Vormundschaftsbehörden den neuen gesetzlichen Vorgaben aus Bern anpassen. Dies wäre eine günstige Gelegenheit, die betroffenen Institutionen auf die Höhe der Zeit zu bringen. Doch stattdessen will der Regierungsrat lediglich die Bedürfnisse des Staatsapparates bedienen. Die Zeche dafür zahlen die Steuerzahler, vor allem aber die schwächsten Mitglieder der Gesellschaft - Kinder und Hilflose.

Die Fachleute sind sich einig: Interdisziplinäre Familiengerichte sind das Mittel der Wahl, wenn es darum geht, in Familien- und Vormundschaftssachen heikle Entscheidungen zu treffen, die tief in das Leben der Betroffenen eingreifen. Die Verantwortungsgemeinschaft der beteiligten Spezialisten (z.B. Sozialarbeitende, Psychologen, Mediatoren) findet im konstruktiven Dialog mit den Betroffenen massgeschneiderte Lösungen, die auch für alle Beteiligten langfristig tragfähig sind. Dies ist das Ziel des neuen Vormundschaftsrechtes, das letzten Dezember vom Parlament in Bern verabschiedet worden ist.

Nun schlägt der Regierungsrat des Kantons Zürich (RR) eine Regelung vor, bei der von allem Anfang klar ist, dass sie weder den Betroffenen nützt noch die Kantonsfinanzen schont. Er plant den Aufbau von 12 Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden (KESB), die sich um die Umsetzung des neuen Vormundschaftsrechtes kümmern sollen. Die zahlreichen Überschneidungen zwischen den heutigen Vormundschaftsbehörden und den Bezirksgerichten bei der Beurteilung von familienrechtlichen Fällen sollen weiterhin bestehen bleiben. Zudem führt eine solche Regelung zu einer Ungleichbehandlung: Glücklich ist, wer seinen Fall von konsensorientierten Fachleuten betreut weiss - weniger glücklich sind die zahllosen Scheidungskinder, deren Schicksal weiterhin nach dem Sieger- oder Verliererprinzip vor dem Bezirksgericht ausgefochten wird. Sie sollen auch weiterhin zwischen den Mühlen einer Justiz zermahlen werden, deren Instrumente zur Lösung familiärer Konflikte denkbar ungeeignet sind.

Nach den Aussagen des RR „fehlt der politische Rückhalt" für die Einführung von Familiengerichten. Befragt hat der Regierungsrat jedoch weder die Bevölkerung, noch die Politik und auch nicht die Betroffenen und ihre Organisationen. Er hat lediglich bei den Gerichten und den bestehenden, zur Auflösung bestimmten Vormundschaftsbehörden nachgefragt, die sich negativ dazu geäussert haben sollen. Nachdem sich sowohl die Konferenz der Vormundschaftsbehörden (VBK) wie auch der vom RR selbst beauftragte Experte Daniel Steck dezidiert für die Schaffung von Familiengerichten ausgesprochen haben, ist eine solche Haltung jedoch mehr als befremdlich.

Auch mannschafft ist von den zahlreichen, international belegten Vorteile von Familiengerichten überzeugt. Wir haben bereits Anfang Jahr im Rahmen des Gerichtsorganisations-Gesetzes deren Schaffung gefordert und werden uns auch zukünftig für ein Justizsystem einsetzen, das zur Lösung der Probleme der betroffenen Menschen beiträgt und nicht zu deren Verschärfung.

mannschafft-Stellungnahme zur Einführung der KESB im Kanton Zürich